Preisträger Prof. Dr. rer. nat. Stefan Rose-John
„Der menschliche Körper ist eine unglaublich komplexe Maschine und ich hatte das Privileg, mich mit der Erforschung der Biochemie des menschlichen Immunsystems beschäftigen zu dürfen.“ Was Geheimdienste im Großen tun, daran forschen Biochemiker im Kleinen: die Entschlüsselung von Kommunikation. Letzteren geht es dabei um den Informationsaustausch zwischen den Körperzellen. Und genau in diesem Bereich forscht Professor Dr. rer. nat. Stefan Rose-John bereits seit langer Zeit, zuletzt am Biochemischen Institut der Medizinischen Fakultät der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel – mit viel Neugierde und Leidenschaft. Mit seinem Lebenswerk hat er der Medizin einen großen Dienst erwiesen und den Weg für neue Medikamente und Therapieansätze geebnet. Denn es gelang ihm nicht nur einen neuen Signalweg des Zytokins Interleukin-6 (IL-6) zu entdecken, sondern auch Wege zu finden, um diesen entzündungsfördernden Weg zu hemmen, ohne die schützenden und regenerativen Eigenschaften von IL-6 zu kompromittieren. Dafür verleiht ihm die Jung-Stiftung für Wissenschaft und Forschung nun die Jung-Medaille für Medizin in Gold. Sie wird jedes Jahr von der Jung-Stiftung an Spitzenforscher:innen vergeben, die die medizinische Forschung und Praxis erheblich vorangebracht haben oder dies auch noch aktiv leisten und ist eine Anerkennung des bisherigen Lebenswerks.
Unsere Körperzellen stehen jederzeit miteinander in Kontakt und übermitteln untereinander pausenlos Nachrichten. Dafür sind entsprechende Botenstoffe, sogenannte Zytokine, zuständig. Aber nicht alle Nachrichten sind positiv, einige können sogar krank machen. So wird beispielsweise das Zytokin Interleukin-6 (IL-6) häufig mit Krankheiten in Verbindung gebracht: Von Morbus Crohn und Rheumatoider Arthritis über Diabetes und neurologische Erkrankungen bis hin zu Formen der Herzschwäche und der Entstehung zahlreicher Tumore. Zur Behandlung werden häufig Hemmstoffe gegen IL-6 eingesetzt. Das Problem: Gegenwärtig eingesetzte Therapien hemmen alle Funktionen von IL-6, auch die positiven, wie beispielsweise den Schutz vor Infektionen.
Mit seiner Entdeckung der verschiedenen Signalwege von IL-6 gelang Stefan Rose-John ein großer Durchbruch: „Wir haben Wege gefunden, die guten und schlechten Eigenschaften von Interleukin-6 physikalisch voneinander zu trennen. Das führt dazu, dass wir jetzt den pro-inflammatorischen Weg dieses Zytokins hemmen können, ohne die schützenden und regenerativen Eigenschaften zu kompromittieren.“ Das Ergebnis dieser Forschung ist das Designer-Protein sgp130Fc. Es hemmt Entzündungen und zeigt viel weniger unerwünschte Nebenwirkungen als die bislang eingesetzten, nicht-selektiven Hemmstoffe. Dieses Protein haben Professor Rose-John und Forschende des Exzellenzclusters „Precision Medicine in Chronic Inflammation“ (PMI) zum Wirkstoffkandidaten „Olamkicept“ weiterentwickelt. In einer Placebo-kontrollierten klinischen Studie (Phase II) wurde bereits die Wirksamkeit und Verträglichkeit von Olamkicept bei Patientinnen und Patienten mit Colitis ulcerosa aus verschiedenen asiatischen Ländern gezeigt. In einer Phase III sollen nun groß angelegte Studien folgen, in denen die Wirksamkeit und Sicherheit getestet werden, bevor das Medikament von den Behörden zugelassen werden kann.
Eine frühe Leidenschaft führt zum erfolgreichen Lebenswerk: Der Werdegang von Stefan Rose-John
„Ich wollte schon als Kind immer wissen, wie Dinge funktionieren.“ Diese andauernde Passion hat der Wissenschaft einen herausragenden Forscher beschert. Denn der Wissensdurst führte dazu, dass Stefan Rose-John sich nach dem Abitur in seiner Heimatstadt Heidelberg für ein Biologiestudium mit Chemie und Physik im Nebenfach einschrieb. 1982 folgte die Promotion, bevor es ihn für einen zweijährigen Postdoc-Aufenthalt nach Michigan, USA, zog. Doch seine Heimatstadt ließ ihn nicht los und so kehrte er als Gruppenleiter am Deutschen Krebsforschungszentrum nach Heidelberg zurück. 1988 wechselte er dann als Wissenschaftlicher Assistent an die RWTH Aachen, wo er sich 1992 im Fach Biochemie habilitierte. Von dort ging es für ihn weiter nach Mainz, wo er eine Professur für Pathophysiologie an der Johannes Gutenberg-Universität übernahm. Im Jahr 2000 wechselte er nach Kiel. Als Professor für Biochemie und Direktor des Biochemischen Instituts verbrachte er an der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel 22 Jahre, bevor er Ende letzten Jahres den Ruhestand antrat. „Ich bin sehr neugierig und ehrgeizig. Diese beiden Eigenschaften haben mir bei meiner Forschung sicher geholfen“, resümiert Stefan Rose-John. „Aber auch Leidenschaft für das Thema und ein starker Wille sind wichtige Charaktereigenschaften, die mich über die Jahre begleitet haben. Mein persönliches Motto ist ‚You can do it‘ und mit dieser Zuversicht und Selbstsicherheit bin ich in meinem Leben und meiner Karriere gut vorangekommen.“
Jung-Medaille in Gold 2023 für Durchbruch in der translationalen Medizin, der neue Therapien erwarten lässt
Stefan Rose-John lebt für seinen Beruf und seine Forschungen. Er hat seine Faszination, Dinge und Prozesse zu hinterfragen, zum Beruf gemacht. Dabei hat er es nicht nur geschafft, bahnbrechende Ergebnisse zu erzielen, sondern diese auch noch in erfolgsversprechende Therapiemaßnahmen zu überführen. Damit ist er ein idealer Preisträger der Jung-Stiftung für Wissenschaft und Forschung, deren Grundsatz es ist, eine Brücke zwischen Forschung und Krankenbett zu schlagen. So ehrt sie ihn nun für sein Engagement mit der Jung-Medaille für Medizin in Gold. „Es ist eine sehr große Ehre mit einem so renommierten Preis ausgezeichnet zu werden. Die Liste der bisherigen Preisträger ist beeindruckend“, erzählt Stefan Rose-John. Auch wenn die Forschung sein Leben ist, genießt er die Natur in seiner Freizeit sehr. „Ich sage immer: Ich brauche kein Hobby, weil mein Beruf so interessant ist. Trotzdem gehe ich gern mal an den Seen oder am Meer in Schleswig-Holstein spazieren. Und auch regelmäßiges Segeln mit meinen Freunden bereitet mir außerhalb der Arbeit Freude“, so Rose-John. Mit der Auszeichnung erhält der gebürtige Heidelberger 30.000 Euro, die er als Stipendium an eine:n Nachwuchswissenschaftler:in seiner Wahl vergeben kann.