Prof. Dr. Ruth Ley und Prof. Dr. Marco Prinz
Der Ernst Jung-Preis für Medizin der Jung-Stiftung für Wissenschaft und Forschung geht in diesem Jahr an gleich zwei hochkarätige Forscher. Beide Wissenschaftler leisten mit ihrer Forschung wichtige Beiträge zum aktuellen Wissensstand in ihrem jeweiligen Fachgebiet. Sie teilen sich die Preissumme in Höhe von 300.000 Euro jeweils zur Hälfte.
Prof. Dr. Ruth Ley
Das Mikrobiom in der medizinischen Praxis berücksichtigen
Die Tübinger Mikrobiom-Forscherin Professor Dr. Ruth Ley erhält die Auszeichnung für ihre wegweisenden Arbeiten am intestinalen Mikrobiom sowie zum Zusammenspiel zwischen Ernährung, Organismus und den Darmbakterien.
Hunderte Milliarden Mikroben besiedeln unseren Körper – eine ganz persönliche und individuelle Mikroflora, die sich von unserer Geburt an im Laufe unseres Lebens formt und entwickelt. Lange Zeit war das Mikrobiom des Menschen sowie seine Bedeutung für die menschliche Gesundheit nahezu unerforscht. Erst der Fortschritt molekularbiologischer Methoden und Sequenziertechniken in den vergangenen Jahren ermöglichte tiefgehende Einblicke in die Welt der Mikroorganismen. Seitdem expandiert dieses spannende Forschungsfeld in atemberaubendem Tempo und die Ergebnisse führen nach und nach auch zu einem Umdenken in der medizinischen Praxis. Professor Ruth Ley, Direktorin am Department of Microbiome Science am Max-Planck-Institut für Entwicklungsbiologie in Tübingen, gehört zu den Vorreiterinnen in der Mikrobiom-Forschung und trug wichtige Erkenntnisse zum heutigen Wissensstand bei: Gemeinsam mit anderen Forschern zeigte sie erstmals, dass die Mikroorganismen im Darm eine maßgebliche Rolle für unsere Gesundheit und unseren Stoffwechsel spielen und eine Fehlbesiedelung unter anderem Übergewicht, Diabetes und chronische Autoimmunerkrankungen mitverursachen kann.
„Das Mikrobiom des Menschen sollte unbedingt bei der medizinischen Behandlung von Erkrankungen berücksichtigt werden“, so Ruth Ley. „Jedes Mikrobiom ist einzigartig und von Mensch zu Mensch unterschiedlich. Daher denke ich, dass auch gute medizinische Praxis personalisiert sein und individuell auf den Patienten eingehen sollte“, erklärt sie. „Ziel sollte es sein, Umwelteinflüsse einzubeziehen, denen der Patient im Laufe seines Lebens ausgesetzt war, wie beispielsweise Ernährung und andere Faktoren, die die Mikroflora prägen.“ Die Forscherin stammt aus dem englischen Farnham. Bereits als Kind begeisterte sie sich für Naturwissenschaften und gelangte über ihr ökologisches Interesse schließlich zur Mikrobiom-Forschung. In ihrer Freizeit geht sie gern Wandern oder Radfahren und widmet sich dem Formen von Tonskulpturen. Sie ist verheiratet und hat einen 11-jährigen Sohn.
Prof. Dr. Marco Prinz
Ursachen von Multipler Sklerose und Alzheimer auf der Spur
Der Freiburger Neurowissenschaftler und Neuropathologe Professor Dr. med. Marco Prinz wird für seine bahnbrechenden Forschungsarbeiten auf dem Gebiet der Entwicklung und Funktion der Mikrogliazellen gewürdigt.
Das Gehirn besteht zu zehn Prozent aus Nervenzellen. Weitere zehn bis 15 Prozent entfallen auf die sogenannten Mikrogliazellen, spezielle ortsständige Makrophagen des Immunsystems. Diese Immunzellen sind essentiell, da sie im Gehirn permanent für Ordnung sorgen, es nähren und im Falle von Infektionen schützen. Sie stellen sicher, dass sich das Gehirn in einem Zustand befindet, in dem es optimal arbeiten kann. Professor Dr. med. Marco Prinz, Ärztlicher Direktor am Institut für Neuropathologie am Universitätsklinikum Freiburg, wies gemeinsam mit Kolleginnen und Kollegen aus Freiburg und Israel zum ersten Mal nach, wie Mikrogliazellen bei Multipler Sklerose die Degeneration der Nervenzellen beeinflussen. „Dabei spielen offenbar die genetischen Informationen in den Mikrogliazellen eine Rolle“, erklärt Marco Prinz. Auch bei Alzheimer gilt ein Zusammenhang bereits als relativ sicher. Herauszufinden, wie genau genetische Veränderungen der Mikrogliazellen zu diesen Erkrankungen führen, ist eines der künftigen Forschungsziele der Arbeitsgruppe um Marco Prinz. Darüber hinaus erforschen die Wissenschaftler, inwieweit die Darmbesiedlung mit der Funktion von Mikrogliazellen korreliert und wie weit sich damit Hirnerkrankungen beeinflussen lassen. „Offensichtlich ist die Reifung der Mikrogliazellen von den Darmbakterien abhängig“, so Prinz. „Und nicht nur das. Es scheint eine Art ständiger Kommunikation zwischen dem Darm und den Mikrogliazellen zu geben.“ Auch hier gibt es noch viele offene Fragen, denen Prinz mit seinem Team auf den Grund gehen möchte.
Die Forschung hatte es dem gebürtigen Cottbusser bereits in jungen Jahren angetan. „Meine Faszination für das Gehirn entwickelte ich rasch in den Anatomieseminaren meines Medizinstudiums an der Charité in Berlin“, berichtet Prinz. Als Ausgleich zu seiner Arbeit geht er gern im Schwarzwald wandern und verbringt mit seinen Kindern im Alter von sieben, 18 und 24 Jahren sowie dem Familienhund Zeit in der Natur. Neben gelegentlichen sportlichen Aktivitäten widmet er sich dem Lesen von historischen Biographien und spielt gern Skat.