Gründer Ernst Jung
Die Jung-Stiftung für Wissenschaft und Forschung wurde von dem Hamburger Unternehmer Ernst Emil Jung (1896 – 1976) gegründet. Er hatte zu seinen Lebzeiten ein bedeutsames Vermögen erwirtschaftet, das er gemeinsam mit seiner Frau „Claere“ Jung (Paula Clara Hermine Philippine, geborene Müller, 1896 – 1973) zu großen Teilen wohltätigen Zwecken widmete. So war er lange als erfolgreicher Unternehmer und großzügiger Philanthrop bekannt. Doch eine von der Jung-Stiftung selbst initiierte, unabhängige wissenschaftliche Forschungsarbeit aus dem Jahr 2022 rückt sein Wirken in ein neues Licht: Ernst Jung war Opportunist des Nationalsozialismus und legte den finanziellen Grundstock seines Vermögens auch während des Zweiten Weltkriegs und mit dem Instrument der Zwangsarbeit.
Ernst Emil Jung wurde am 18. Mai 1896 im ostpreußischen Briensdorf geboren, absolvierte nach dem Schulabschluss eine kaufmännische Ausbildung und nahm als Freiwilliger am ersten Weltkrieg teil. Im Anschluss und bis Mitte der dreißiger Jahre war Ernst Jung gleichzeitig sowohl als Angestellter als auch unternehmerisch tätig, nachdem er 1920 die Handelsfirma Ernst Jung Oel-Import gegründet hatte, aus dem später die Hamburger Mineralöl-Werke Ernst Jung wurden. Da das massive Aufrüstungsbestreben des Dritten Reichs die Nachfrage nach seinen Produkten steigerte, zeigte seine Firma schnell wirtschaftlichen Erfolg, sodass Jung seinen Handel bald durch Produktions- und Lagerstätten ergänzen konnte. Während des Krieges verstärkte der Bedarf nach wehrwirtschaftlich benötigten Erzeugnissen weiterhin die Entwicklung seiner Unternehmen, doch ihren größten Aufschwung erlebten sie in der Nachkriegszeit. Durch Strukturanpassungen, Expansion, Zukäufe und Diversifikation erreichten Jungs Firmen ab Mitte der fünfziger Jahre Spitzenpositionen im Markt, die sie größtenteils bis zu seinem Tod 1976 beibehielten.
Rolle als Opportunist einerseits
Über Jungs Leben und Wirken zur Zeit des Nationalsozialismus war lange wenig bekannt. Eine von der Jung-Stiftung selbst initiierte, unabhängige wissenschaftliche Studie brachte 2022 neue Erkenntnisse zutage: Ernst Jung war Opportunist des Nationalsozialismus und hat, nach Schätzungen der Studie, in seinen Firmen von 1939 bis 1945 insgesamt 200 bis 250 Zwangsarbeiter:innen und KZ-Häftlinge eingesetzt. Er identifizierte sich zwar nicht mit der NS-Politik, arrangierte sich aber voller Opportunismus mit der politischen Elite für seine wirtschaftlichen Ambitionen.
Rolle als späterer Philanthrop andererseits
Jungs späteres Leben wurde von einer anderen Seite geprägt – der Wohltätigkeit. Gemeinsam mit seiner Ehefrau Claere Jung gründete er vier Stiftungen, um ihr Vermögen in den Dienst der Gesellschaft zu stellen: Die Ernst und Claere Jung Stiftungen in Hamburg und Stade (zwei Pflegeeinrichtungen), die Claere Jung Stiftung (eine Hilfsorganisation für Blinde und Sehbehinderte), sowie die Jung-Stiftung für Wissenschaft und Forschung, die besondere Fortschritte in der Humanmedizin auszeichnen sollte. Allein die Letztere setzt sich seit ihrer Gründung für Wissenschaft und Forschung ein und konnte Forscher:innen, die die Humanmedizin bedeutend voranbringen, in dieser Zeit mit mehr als 16,5 Mio. Euro an Preis- und Fördergeldern unterstützen.
Die Jung-Stiftung im Spannungsfeld
Zusammenfassend zeichnet sich ein ambivalentes Bild von Ernst Jung als Opportunist von Zwangsarbeit und als späteren Philanthrop. Dabei ist es unmöglich, seine Taten gegeneinander aufzuwägen – denn nichts in der Welt kann das durch Zwangsarbeit erlittene Leid und Unrecht in den Unternehmen Ernst Jungs ungeschehen machen. Gleichzeitig leisten die Stiftungen von Ernst und Claere Jung jeden Tag einen wichtigen Beitrag für unsere Gesellschaft.
Für uns als Jung-Stiftung für Wissenschaft und Forschung ist es wichtig, dieses Spannungsfeld anzuerkennen und uns der Geschichte von Ernst Jung zu stellen. Doch es ist ebenso wichtig, unserer Rolle treu zu bleiben: Wir sind eine eigenständige Organisation, handeln entsprechend unserer Satzungsvorgaben und setzen uns im Dienst der Gesellschaft für Wissenschaft und Forschung ein. Wir tragen zwar den Namen Jungs, aber wir handeln im Namen der Gemeinschaft.