Dem Lebens-Kontrolleur auf der Spur
Professor Ivan Dikic mit Ernst Jung-Preis für Medizin ausgezeichnet.
Es gibt ein geheimnisvolles Protein, das in allen Zellen zu finden ist, die einen Zellkern haben. Weil es überall gegenwärtig, in der Sprache der Wissenschaft: ubiquitär, ist, nennt man es Ubiquitin. Dieses Ubiquitin dient als Regulator für andere Proteine und kontrolliert eine Vielzahl biologischer Abläufe, es hat Einfluss auf nahezu alle Lebensprozesse auf zellulärer Ebene. Funktioniert diese Signalverarbeitung nicht, entstehen zum Beispiel Krebs, neurodegenerative Erkrankungen, Entzündungen und Erkrankungen des Immunsystems. Der Frankfurter Professor Ivan Dikic hat es sich zu seinem zentralen Forschungsanliegen gemacht, durch Entschlüsselung des Ubiquitin-Signalcodes grundlegende Aufklärungsarbeit über molekulare Mechanismen der Krankheits- und insbesondere der Krebsentstehung zu leisten und so langfristig neuen Therapie-Ansätzen den Weg zu bereiten.
Am 3. Mai 2013 zeichnete die Jung-Stiftung für Wissenschaft und Forschung den international renommierten Wissenschaftler für seine bahnbrechenden Erkenntnisse zum Ubiquitin in Hamburg mit dem angesehenen Ernst Jung-Preis für Medizin aus. Zusammen mit Professor Dikic wurde seine österreichisch-amerikanische Fachkollegin Professor Angelika Amon vom Massachusetts Institute of Technology (MIT) mit dem Ernst Jung-Preis für Medizin bedacht. Die beiden Spitzenforscher teilen sich ein Preisgeld von 300.000 Euro. Die Laudatio bei der festlichen Preisverleihung in der Bucerius Law School hielt der Proteinforscher Professor Dr. Reinhard Jahn, einst selbst Ernst Jung-Preisträger und heute Mitglied des Stiftungskuratoriums.
„Vom Leben fasziniert“
Als Sohn eines Tierarztes erlebte der in Zagreb geborene Ivan Dikic schon als Kind, welche Faszination von Lebewesen ausgeht – eine Faszination, die sich später auf die Molekularebene der elementaren Lebensprozesse übertrug. Und faszinierend ist auch, welche neuen Einsichten er durch seine Forschungen gewinnen konnte: „Ubiquitin kann an Tausende unterschiedliche Proteine angeheftet werden, und das auf unterschiedliche Weise, mit einem oder mehreren Ubiquitinmolekülen, die entweder linear oder verzweigt aneinandergereiht werden. Professor Dikic hat nicht nur erkannt, dass durch diese Vielfalt ein sehr flexibler Code gebildet werden kann, sondern er hat viele der Proteine entdeckt und molekular charakterisiert, die diese vielfältigen Signale auslesen“, führte Laudator Jahn aus. Dadurch sei es ihm gelungen, Prozesse der Identifikation, Sortierung und Entsorgung beschädigter Zellkomponenten zu ergründen. Weiter habe er ein bislang unbekanntes Recyclingsystem entdeckt und ganz neue Ubiquitin-gesteuerte Signalwege von grundlegender Bedeutung erkannt, die, so Jahn, „bereits jetzt neue Möglichkeiten für therapeutische Intervention eröffnen.“
Dieser Weg von der Grundlagenforschung zur Anwendung, vom biomedizinischen Labor zum Krankenbett ist Professor Dikic ein besonders wichtiges Anliegen, hob er in seiner Dankesrede hervor. Sein Hauptziel sei letztlich der Kampf gegen den Krebs. Und deshalb, so unterstrich Professor Dikic, mache der Ernst Jung-Preis ihn ganz besonders stolz: „Die Jung-Stiftung ist eine der wenigen, die insbesondere auch den Transfer von der biomedizinischen Grundlagenforschung in die Klinik fördert.“ Ausdrücklich würdigte er auch Wirken und Weitsicht des Stifters Ernst Jung: Er habe die Wichtigkeit der Förderung unterschiedlicher Disziplinen schon früh erkannt. Ebenso verbindet besonderes Verantwortungsbewusstsein Professor Dikic mit den Ideen des Stifters: „Das, was wir tun, hat eine große Relevanz für die Gesellschaft. Und damit tragen wir auch gleichzeitig eine große Verantwortung gegenüber der Gesellschaft.“
Ausgezeichnete Medizin
Neben dem zu gleichen Teilen an Professor Dikic und Professor Amon verliehenen Ernst Jung-Preis für Medizin vergab die Jung-Stiftung für Wissenschaft und Forschung am 3. Mai noch zwei weitere Preise: Professor Sir Salvador Moncada aus London, Pionier innovativer Ansätze zur Therapie der koronaren Herzkrankheit, wurde mit der Ernst Jung-Medaille für Medizin in Gold ausgezeichnet. Dr. Anita Kremer vom Universitätsklinikum Erlangen, erhielt den Ernst Jung-Karriere-Förderpreis für medizinische Forschung. Sie arbeitet an der Immunzell-Therapie von Tumoren. Mit dem Preisgeld von 300.000 Euro zählt der Ernst Jung-Preis für Medizin zu den höchstdotierten Medizinpreisen Europas.