Von der ersten Modellbeschreibung zur medizinischen Anwendung

Ernst Jung-Preis für Medizin 2017 geht an Professor Tobias Moser und Professor Nenad Ban

Hamburg, 6. Januar 2017. In diesem Jahr verleiht die Jung-Stiftung für Wissenschaft und Forschung den Ernst Jung-Preis für Medizin gleich zweimal. Die in der Medizinwelt hoch angesehene Auszeichnung geht an den Göttinger Neurowissenschaftler Professor Dr. med. Tobias Moser für seine bahnbrechenden Arbeiten zur Signalübertragung im Innenohr und seine innovativen Therapie-Konzepte zur Behandlung von Schwerhörigkeit sowie an den Züricher Strukturbiologen Professor Nenad Ban, PhD, für seine richtungweisenden Forschungsergebnisse zur Struktur und Funktion eukaryotischer Ribosomen. Die hochkarätigen Wissenschaftler haben beide bedeutende Vorarbeit für die weitere anwendungsbezogene Erforschung ihres jeweiligen Fachgebiets geleistet und teilen sich die beachtliche Preissumme in Höhe von 300.000 Euro zu gleichen Teilen.

Hören (und) verstehen

Wie werden Geräusche von unserem Gehör aufgenommen? Wie erhalten wir innerhalb weniger Sekundenbruchteile eine akustische Information? Schallwellen treffen auf das Ohr und werden von den Sinneszellen der Cochlea, den sogenannten Haarzellen, in elektrische Signale umgewandelt, die unser Gehirn wahrnehmen und verarbeiten kann. Diese blitzschnell ablaufenden, hochkomplizierten Prozesse der synaptischen Schallkodierung auf molekularer Ebene zu verstehen, ihre Pathologie zu untersuchen und Gentherapien zu entwickeln sind die Forschungsziele von Professor Dr. med. Tobias Moser und seiner Mitarbeiter. Als Vorreiter erarbeiteten sie in der Vergangenheit bereits wichtige Grundlagen auf dem Gebiet, das mittlerweile von weltweit mehr als 20 Arbeitsgruppen sehr aktiv erforscht wird. Darüber hinaus untersuchen die Wissenschaftler um Professor Moser die spezialisierten auditorischen Synapsen des Hirnstamms, die Informationen sehr zuverlässig und mit hoher Geschwindigkeit übertragen. Seit 2008 leisten sie zudem Pionierarbeit bei der Etablierung des optogenetischen Cochlea-Implantats.

Moser ist Institutsleiter und Professor am Institut für Auditorische Neurowissenschaften der Universitätsmedizin Göttingen. Darüber hinaus leitet er in Göttingen die Arbeitsgruppe „Auditorische Neurowissenschaften und Optogenetik“ am Deutschen Primatenzentrum, die Arbeitsgruppe „Synaptische Nanophysiologie“ am Max-Planck-Institut für Biophysikalische Chemie sowie die assoziierte Arbeitsgruppe „Auditorische Neurowissenschaften“ am Max-Planck-Institut für Experimentelle Medizin. „Ich bin von Natur aus neugierig und möchte den Dingen intensiv auf den Grund gehen“, erklärt der 48-jährige seine Motivation zur Forschung. „Kreativität, Leistungsbereitschaft, Aufrichtigkeit und Verantwortungsbewusstsein sind für mich Schlüsseleigenschaften eines erfolgreichen Forschers. Für Ärzte zudem die Fähigkeit, für erkrankte Menschen ein kompetenter medizinischer Partner zu sein und eine gute Balance aus Fürsorge und Akzeptanz des Patientenwillens zu finden.“ Neben seiner Arbeit verbringt Tobias Moser Zeit mit seiner Frau und seinen drei Kindern und widmet sich dem Sport, der Natur und der Kunst.

Der Proteinbiosynthese auf den Grund gehen

Ribosomen spielen eine zentrale Rolle in allen lebenden Organismen. Als zelluläre Komponenten sind sie für die Proteinbiosynthese verantwortlich und setzen so die genetische Information um. Während die Ribosomen in prokaryotischen Zellen wie Bakterien bereits seit 2000 strukturell und funktionell sehr gut erforscht sind, gibt es noch große Lücken im Verständnis der wesentlich komplexeren cytoplasmatischen und mitochondrialen Ribosomen in den eukaryotischen Zellen von Pflanzen, Pilzen und Tieren einschließlich des Menschen. Die Arbeitsgruppe um Professor Nenad Ban, PhD, erbrachte eine richtungweisende Forschungsleistung, indem ihr eine erste vollständige Strukturbeschreibung beider eukaryotischer ribosomaler Untereinheiten und ihrer Komplexe mit Initiationsfaktoren und viralen RNAs gelang. Darüber hinaus erlangten die Forscher Einblicke in die einzigartige Struktur der Ribosomen in den Mitochondrien von Säugetieren. Mitochondrien sind Zellorganellen, die ihr eigenes Genom besitzen und die an unterschiedlichen Erkrankungen des Menschen beteiligt sind. „Durch ihre fundamentale Bedeutung bei vielen elementaren zellulären Prozessen kann eine mögliche Fehlfunktion der Ribosomen verheerende Auswirkungen haben, bis hin zu Krankheiten wie Krebs oder Stoffwechselstörungen“, erläutert Ban die medizinische Relevanz ihrer Erkenntnisse.

Nenad Ban ist Professor für Molekulare Strukturbiologie am Institut für Molekulare Biologie und Biophysik im Departement Biologie der ETH Zürich (Swiss Federal Institute of Technology). Der aus einer Naturwissenschaftler-Familie stammende Kroate entdeckte schon früh seine Leidenschaft für die Biologie: „Bereits in meiner Kindheit experimentierte ich gern und untersuchte Meeresorganismen an der Adriaküste, wo ich meine Sommer verbrachte.“ Neben der Forschung begeistert sich der 50-jährige für Bildende Kunst und für den Film. Er liebt Sport, den er vor allem mit seiner Familie ausübt. So spielt er gern Tennis und Basketball mit seinen beiden heranwachsenden Söhnen oder geht mit der ganzen Familie in der Schweiz Wandern oder Skifahren.