Von Hefezellen zu neuen Heilkonzepten
Professor Angelika Amon vom Massachusetts Institute of Technology (MIT) erhält renommierten Ernst Jung-Preis für Medizin.
Als Backhefe kennt man sie in jedem Haushalt, Saccharomyces ist der wissenschaftliche Name, und was die leidenschaftliche Forscherin und MIT-Professorin Angelika Amon im Labor aus Defekten bei deren Zellteilung abliest, könnte eines Tages die Therapie von Krebs sowie weiteren schweren Erkrankungen revolutionieren. Hefezellen und menschliche Zellen sind sich nämlich sehr ähnlich – und wenn man anhand der Hefezellteilung herausfindet, wie sich auf Genomebene defekte und damit krankheitsverursachende Zellen systematisch ausschalten lassen, wird man eines Tages zum Beispiel Tumorgewebe zielgenau vernichten können.
Für bahnbrechende Forschungsleistungen auf diesem Gebiet wurde die österreichisch-amerikanische Biologin Professor Dr. Angelika Amon vom Howard Hughes Medical Institute und des Massachusetts Institute of Technology (MIT) in Massachusetts am 3. Mai in Hamburg mit dem Ernst Jung-Preis für Medizin ausgezeichnet. Die Wissenschaftlerin erhält den renommierten, insgesamt mit 300.000 Euro dotierten Preis zusammen mit dem Frankfurter Biochemie-Professor Ivan Dikic MD PhD, der mit Forschungen zu Zell-Signalwegen ebenfalls an der Vorbereitung innovativer Therapieansätze arbeitet. Die Preisverleihung fand im eindrucksvollen Auditorium der Bucerius Law School statt; Laudator war der Molekularbiologe Professor Ernst Hafen PhD von der ETH Zürich.
„Es müssen 3.000 Harry Potter-Bände kopiert werden“
In seiner Preisrede erklärte Professor Hafen bildhaft die gigantischen Dimensionen des täglich millionenfach im Körper stattfindenden Zellteilungsprozesses: „Die gesamte Information im Kern jeder Zelle umfasst 3 Milliarden Buchstaben in doppelter Ausführung, denn all unsere Zellen enthalten eine Kopie der genetischen Information von unserer Mutter und von unserem Vater. Zum Vergleich: Sechs Milliarden Buchstaben entsprechen ungefähr 3.000 Harry Potter-Büchern. Der Text in den unterschiedlichen Büchern ist die DNA, die unsere genetische Information enthält und in 23 unterschiedliche Chromosomen aufgeteilt ist. Jedes Chromosom liegt als Paar vor, eines vom Vater und eines von der Mutter. Wenn nun aus einer Zelle zwei neue Zellen entstehen sollen, müssen alle sechs Milliarden Buchstaben ohne Fehler verdoppelt werden, das heißt, es müssen alle 3.000 Harry Potter-Bücher kopiert werden.“ Gelingt das Kopieren nicht korrekt, fehlen Chromosomen oder sind zu viele vorhanden, entsteht eine Genommutation, die man als Aneuploidie bezeichnet. „Diese Aneuploidie ist stark assoziiert mit Krebs und weiteren anderen Entwicklungskrankheiten,“ erläuterte Professor Dr. Amon. „Das ist der Ansatzpunkt, an dem wir arbeiten. Wir versuchen, einen Beitrag zur Entwicklung neuer Medikamente zu leisten, um den Krebs zu besiegen.“
Ausschlaggebend war die Entdeckung, dass Zellen mit falschem Chromosomensatz Schwachpunkte haben. Substanzen, die diese Schwachpunkte noch verstärken, bringen die mutierten Zellen zum Absterben. Damit wird es möglich sein, Zellen mit falschem Chromosomensatz, etwa Krebszellen, gezielt zu vernichten. Derzeit befasst Professor Amon sich deshalb speziell mit der Frage, wie die veränderte Anzahl von Genkopien oder Chromosomen zu biologischen Anomalien führt, um solche Schwachpunkte zu identifizieren.
Noch stehe man erst am Anfang, betonte Angelika Amon in ihrer Dankesrede. „Aber wir haben wirklich jetzt schon gute Fortschritte gemacht.“ Über den Ernst Jung-Preis für Medizin freue sie sich ganz besonders, unterstrich die Professorin, da er für einen humanitären Ansatz stehe – „weil es mir persönlich ein sehr wichtiges Anliegen ist, dass unsere Forschung einmal dazu beitragen wird, das menschliche Leben, die menschliche Gesundheit zu verbessern, beizutragen, dass Leute geheilt werden von Krankheiten, an denen sie früher gestorben sind.“
Ausgezeichnete Medizin
Neben dem Ernst Jung-Preis für Medizin wurden am 3. Mai noch weitere Preise vergeben. Professor Sir Salvador Moncada aus London, Pionier innovativer Ansätze zur Therapie der koronaren Herzkrankheit, erhielt die Ernst Jung-Medaille für Medizin in Gold. Dr. Anita Kremer vom Universitätsklinikum Erlangen wird durch den Ernst Jung-Karriere-Förderpreis für medizinische Forschung in ihrer Entwicklungsarbeit zur Immunzell-Therapie von Tumoren unterstützt. Der Ernst Jung-Preis für Medizin zählt mit 300.000 Euro zu den höchstdotierten Medizinpreisen Europas.